Menschen pflegen - nicht Akten

[ © Foto privat - Im Abgeordnetenhaus Mainz ]

Dr. Fred Konrad, MdL und Tabea Rößner, MdB luden zum Fachgespräch "Pflege in Not"

Pflege ist mehr, als satt und sauber. Darüber waren sich die etwa 50 Teilnehmer eines offenen Fachgesprächs zum Thema „Pflege in Not“ am Freitag einig. Statt Minuten-genauer Zeitvorgaben müssten individuelle Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Dass dementielle Einschränkungen ebenso wie körperliche Gebrechen eine Pflegebedürftigkeit begründeten, hob Dr. Fred, Konrad, pflegepolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion ebenso hervor wie seine Kollegin Elisabeth Scharfenberg pflege- und altenpolitische Sprecherin aus der grünen Bundestagsfraktion. Tabea Rößner, Sprecherin für Demographie der grünen Bundestagsfraktion, verwies auf eine Entwicklung, nach der im Jahr 2025 mindestens 150.000 Pflegekräfte fehlen werden.

Teilhabe am selbständigen Leben sei das Ziel, nicht nur die körperliche Versorgung Pflegebedürftiger, waren sich Referenten und Fachpublikum aus Pflegeeinrichtungen und Verbänden einig. Eine zentrale Forderung lautete, endlich die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates zum Thema Pflege weiterzuentwickeln und auszugestalten, die seit drei Jahren in Schubladen des Bundesministeriums für Gesundheit liegen. Dass eine Verbesserung der Situation sich nicht zum Nulltarif erreichen lässt, stand dabei außer Frage. 
Bei allen Schwierigkeiten, vor denen die Gäste aus der Praxis stehen, war der Grundtenor der Diskussion eindeutig: Die Rahmenbedingungen sind reformbedürftig. Weniger Bürokratie zeichnete sich als Anliegen der Pflegenden ab. „Wir wollen Menschen pflegen, nicht Akten“, brachte es Brigitte Lerch, die Vorsitzende des Fachausschusses `Ambulante Dienste´ der PflegeGesellschaft auf den Punkt. MdB Tabea Rößner fasste den Grundgedanken des Workshops für ambulante Pflegekonzepte zusammen: „Kundenorientierung muss endlich die Idee der Fürsorge ablösen. Wir müssen weg von der scheinrationalen Minutenzählerei und hin zu ganzheitlicher Teilhabe.“ 
Der geltende Begriff der Pflegebedürftigkeit gehe nur von der Behebung von Defiziten aus, die über gezielte, zeitlich fest bemessene Hilfe bei Alltagsverrichtungen erfolgt. Kann ein alter Mensch sich nicht mehr alleine anziehen, dann steht ihm eine Vergütung für die Zeit zu, die eine gesunde 40-jährige Pflegekraft für diese Hilfeleistung benötigt. Das sind 2,20 Euro. „Statt einzelne Verrichtungen zu vergüten, sollte der Pflegebedürftige oder die Angehörigen über ein Zeitkontingent verfügen, über dessen Einteilung sie selbst entscheiden können.“ so die Fachpolitikerin Elisabeth Scharfenberg. 
„Wir müssen jetzt loslegen mit neuen Ansätzen für eine in die Zukunft tragende menschenwürdige Pflege. Wir brauchen mehr Hände. Sofort.“, brachte ein Gast die Not bei der Pflege auf den Punkt. Da die Zahl der Pflegebedürftigen wächst, zugleich aber die Zahl der Jungen sinkt, wird sich der Mangel verschärfen. In Zukunft muss ein deutlich größerer Anteil der SchulabgängerInnen als heute einen Gesundheitsberuf erlernen.

Damit sich junge Menschen für den Pflegeberuf entscheiden und auch dort bleiben, muss sich das Berufsbild wandeln. Zentral sind die leichtere Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie, eine höhere Bezahlung und befriedigende Arbeitsbedingungen. Dr. Fred Konrad setzt hinzu: „Ein Weg ist, die Handlungsfelder des Pflegeberufs auszuweiten: Eine dafür qualifizierte Pflegekraft könnte selbst mit der Krankenkasse abrechnen und würde verantwortlich bestimmte Aufgaben übernehmen, für die bisher Ärztinnen oder Ärzte zuständig sind. In den Köpfen erfordert es ein Umdenken bei allen Beteiligten, in den Gesetzesvorlagen unter anderem ein neu ausgerichtetes Ausbildungssystem. Gerade auch für die Gesundheitsversorgung auf dem Land sind neue Konzepte nötig.“ 
Die Diskussion des Nachmittags spann sich auf vom Baukostenhöchstwert bis zur Pflege der Seele. In vier Workshops bot die Veranstaltung einen Austausch zwischen Praxis und Politik. Die Bilanz der Veranstalter Dr. Fred Konrad und Tabea Rößner: „Wir haben heute immens viel mitgenommen an konkreten Arbeitsaufträgen für unsere parlamentarische Arbeit.“

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